Eigentlich müsste die Entscheidung klar sein: Eine Helmpflicht für Radfahrer! Aber sie kommt einfach nicht. Erst vor fünf Monaten konnten sich die Verkehrsminister in Potsdam gerade mal zu einer „allgemeinen Empfehlung“ durchringen. Ganz speziell sagt die Gesellschaft für Unfallchirurgie, dass 90 Prozent aller Schädelhirnverletzungen bei Radfahrern durch das Tragen eines Fahrradhelmes vermieden werden könnte.
Bei jedem zweiten Unfall mit verletzten Radfahrern gibt es – oft schwere – Kopfverletzungen. Vermutlich würden auch noch die Rentnerin und der Rentner aus Nürnberg leben, die vor wenigen Tagen nach Fahrradunfällen an ihren schweren Kopfverletzungen starben – beide trugen keinen Schutzhel m (die NZ berichtete am vergangenen Montag).
Kaum ein Politiker wagt es, Klartext zu sprechen, sonst müssten sie sagen: Wenn wir den Radfahrern eine Helmpflicht auferlegen, fahren viele nicht mehr Rad. Und das ist der Albtraum vieler Verkehrspolitiker, ist es doch gerade das Rad, das in den großen Städten den motorisierten Wahnsinn wenigstens etwas mindern soll.
Abgesehen davon, aber nicht zu letzt (!), befürchten sie, Wähler zu verlieren: Viele Radfahrer würden eine Schutzhelmpflicht als einen Frontalangriff auf ihre „Radlerfreiheit“ empfinden. Damit er klärt sich auch die Aussage des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, der Radfahrer durch eine Helmpflicht „nicht gängeln“ möchte.
Es sind solche Bemerkungen, wie sie teilweise in Blogs zu lesen sind, die Politiker schrecken: „Wenn die Helmpflicht kommt, höre ich das Fahrradfahren auf.“ Dann gibt es aber auch andere Kommentare wie diesen: „Es ist für mich vollkommen unbegreiflich, warum die Ein führung einer Helmpflicht bei Skifahrern nach dem öffentlichkeitswirksamen tragischen Unfall des früheren thüringischen Mi nis terpräsidenten allseits begrüßt wur de, im Straßenverkehr aber seit Jahren be harrlich auf erheb liche Wi der stän de stößt.“
Das Oberlandes gericht Nürnberg sprach 1999 einer nach einem Radunfall am Kopf schwer verletzten Frau das geforderte Schmerzensgeld von 5000 Mark und einen Verdienstausfall von über 13.000 Mark zu, nachdem die Versicherung nur ei nen Minibetrag zahlen wollte – weil die Frau keinen Schutzhelm getragen hatte. Das Gericht befand je doch: Solange keine Helmpflicht be steht, kann einem Radfahrer der Verzicht auf einen Schutzhelm haftungsrechtlich nicht als Mitverschulden angekreidet werden.“
Wenn der Radfahrer auf der Intensivstation nach einem Unfall um sein Leben kämpft, werden versicherungstechnische Spitzfindigkeiten und ge richtliche Bewertungen aber ganz sicher bedeutungslos und in den Hintergrund rücken.
Wir wollen von Ihnen in unserer Le serfrage wissen: „Sollten Schutz hel me für Radfahrer Pflicht werden?“ Geben Sie Ihr Votum bitte unter www.nz.de/nz-dialog ab.
Die Frage der vergangenen Woche lautete: „Christian Ude – ein geeigneter Ministerpräsident?“ Mit Ja antworteten 22,6 Prozent, mit Nein 77,4 Prozent.
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